31.01.2020 | Olaf Thiel

Telematik bei Lkw – quo vadis?

Telematik soll den Alltag für Lkw-Fahrer und Flottenbesitzer vereinfachen. Mehrere Hundert Sensoren sind für Telematiksysteme in einem modernen Lkw verbaut und liefern jede Menge Daten. Doch wie steht es um die Akzeptanz in der Transportbranche und welche Einstiegshürden gibt es?

Die große Mehrheit der Logistiker ist sich sicher: Die Digitalisierung wird den Warentransport in den kommenden Jahren in diese Richtung treiben und damit grundlegend verändern. So erwarten 7 von 10 Unternehmen, dass KI bis 2030 viele Aufgaben übernehmen wird, etwa die Planung von Routen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung unter mehr als 500 Logistikern im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom. Die überwiegende Zahl der Unternehmen sieht demnach viele praktische Vorteile für den Warentransport: Beschleunigung (92 Prozent), sinkende Logistikkosten (85 Prozent) und weniger anfällige Transportketten (79 Prozent). Telematiksysteme spielen dabei eine wesentliche Rolle, um alle Akteure der Lieferkette wie Transport- und Logistikunternehmen, Speditionen und Verlader zusammenbringen. Denn längst gehen die Fähigkeiten über Funktionen wie die Positionsdaten oder Informationen des elektronischen Bremssystems hinaus.

Grafik zu Telematik

Untersuchungsergebnis des Bitkom: Digitalisierung spart Zeit. Grafik: Bitkom

 

Unter dem Schlagwort Predictive Maintenance lassen sich beispielsweise Wartungen und Reparaturen rechtzeitig planen, bevor eine Panne geschieht. Damit bleibt der Lkw länger auf der Straße. Gleichzeitig liefern Telemetriedaten ein umfassendes Bild über die Fahrweise. Digitale Plomben sorgen für den Schutz von Kofferfahrzeugen und Wechselbrücken in Echtzeit. Und zusätzliche Schnittstellen zum digitalen Tachografen und Navigationsfunktionen machen die Technologie zu umfassenden Flottenmanagementlösungen. Hinzu kommen neue Lösungen auf Basis von Big Data, künstliche Intelligenz (KI) und Clouddiensten, die beispielsweise Frachtauslastungen optimieren und Softwareupdates Over-the-Air ermöglichen. Bitkom hat jüngst untersucht, inwieweit Transportunternehmen von Telematik-Anwendungen heute konkret profitieren: 68 Prozent der Befragten geben an, dass digitale Lösungen zu einer Zeitersparnis führen. Fast die Hälfte sieht Vorteile durch sinkende Fehler- und Ausfallanfälligkeit ihrer Flotten. Rund ein Drittel konnte seine Service für Endkunden verbessern, die Lagerfläche reduzieren und allgemein Kosten sparen.

Auch für Lkw-Fahrer ein konkreter Vorteil: Planbare Wartungsdurchläufe für Lkw und Trailer. Grafik: Bitkom

Auch für Lkw-Fahrer ein konkreter Vorteil: Planbare Wartungsdurchläufe für Lkw und Trailer. Grafik: Bitkom

Zurückhaltung bei Telematik

Doch trotz der offensichtlichen Vorteile sind zahlreiche Transportunternehmen noch zurückhaltend. So setzt gerade einmal jedes fünfte Unternehmen Datenanalysen ein bzw. plant dies. Jedes zehnte Unternehmen nutzt Software für vorausschauende Wartung. Das hat vielfältige Gründe: Der Markt gilt als stark fragmentiert. Es gibt viele Anbieter mit unterschiedlichen Telematikangeboten, die zum einen sehr erklärungsbedürftig sind, zum anderen neue Kompetenzen erfordern. Oftmals wissen Speditionen schlichtweg nicht, welche vielfältigen Möglichkeiten ihnen die Telematik bietet und hadern mit dem Einsatz. Die erste Hürde war bisher, eine Telematikeinheit kaufen zu müssen. Bei einigen Truckherstellern wie Scania gehören diese mittlerweile zur Serienausstattung der Zugmaschine. Der Trailer-Anbieter Schmitz Cargobull stattet Sattelkoffer für den Kühltransport serienmäßig mit Telematik aus. Auch führende Marken wie Krone, Kögel und Fliegl ziehen nach und bieten Telematiksysteme für den Sattelauflieger. Der Fahrer ist auf diese Weise jederzeit über den Zustand des Trailers informiert.

Eine weitere Hürde ist der noch geringe Standardisierungsgrad. Immerhin rücken die Nutzfahrzeughersteller von ihren bisherigen Insellösungen ab. Bekannteste Vertreter sind Daimler Fleetboard und Rio von Traton. Durch neue Schnittstellen, erweiterte Services und Kooperationen bewegen sie sich weg von der reinen Lösung für die Zugmaschinen, zu einer 360°-Lösung, die auch Trailer und alle am Transport Beteiligten vernetzt. Die Plattformen können mit unterschiedlichen Algorithmen und Datenformaten umgehen, sodass der Austausch auch über Landesgrenzen und unterschiedliche Systemlandschaften hinweg reibungslos funktioniert. So lassen sich Daten aus einem Truck nicht nur über das herstellergebundene Telematikportal lesen und auswerten, sondern ebenso über freie Software- und Dienstleistersysteme.

Offene Schnittstellen im Fokus

Jens Zeller, Geschäftsführer idem telematics

Wie man Schnittstellen universell zugänglich macht, hat sich die Firma idem telematics angenommen. Das Münchener Unternehmen ist führender Hersteller von Telematikanwendungen und eine Tochtergesellschaft des Zulieferers BPW. Das Prinzip der Systemoffenheit ist Grundlage des Erfolgs: „Spediteure betreiben hauptsächlich Flotten unterschiedlicher Fahrzeugtypen und Herstellermarken“, sagt idem-Geschäftsführer Jens Zeller. „Es ist eine extrem komplexe, heterogene Welt, die unser Denken und unsere Technologie geprägt hat.“ idem telematics hat als einer der ersten eine systemoffene, unabhängige Plattform konzipiert, die Flottenbetreiber, Disponenten und Fahrer vernetzt.

Dafür werden Daten aus Trucks, Trailern, leichten Nutzfahrzeugen und Wechselbrücken bezogen und auf einer einzigen Benutzeroberfläche gebündelt angezeigt. Auch Daten von Drittsystemen werden effizienzsteigernd integriert. Ergebnis ist eine durchgehend transparente Lieferkette, die Informationen vom Transportauftrag bis zur Zustellung umfasst und auswertet. Der Fahrer selbst kann über eine App relevante Daten abrufen. Die Anwendung ist momentan das europaweit meistverbaute Telematiksystem im Trailer und erhielt kürzlich sogar den Deutschen Telematik Preis 2020.

Das System bietet Bordrechner für Zugmaschine und Trailer. Durch drahtlose Schnittstellen können Daten auch direkt ausgetauscht und im Cockpit angezeigt werden. Ein weiterer Vorteil dabei: Drahtlostechnologien erleichtern die sonst aufwendige Installation sowohl in Erstausrüstung als auch in der Nachrüstung. Die Bordrechner bilden via Mobilfunk die Brücke vom Fahrzeug und seinen Daten zur Anwendung in der Cloud. Dort werden die Daten für die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der Anwender aufbereitet und mit anderen Informationen verknüpft und veredelt. So bekommen alle Beteiligten – Fahrer, Disponent, Flottenmanager oder Firmenchef – stets die benötigten Informationen, um ihre Arbeit zu optimieren.

Die Blogredaktion hat mit Jens Zeller auf der NUFAM über die Telematikanwendungen von idem telematics gesprochen:

Weitere Grafiken zur Digitalisierung in der Logistik bietet der Bitkom unter diesem Link.

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