25.10.2016 | Olaf Thiel

Testfeld für autonomes Fahren

Autobahnen in Deutschland werden zu Teststrecken für vernetztes und autonomes Fahren. In Bayern auf der A9 entsteht beispielsweise aktuell die erste intelligente und digitalisierte Schnellstraße. Andere Bundesländer wollen inzwischen nachziehen.

Deutschland hat mit mehr als 13.000 Kilometern Autobahn eines der modernsten Schnellstraßennetze der Welt. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat vor einiger Zeit das Förderprojekt „Digitales Testfeld Autobahn“ ins Leben gerufen. So können seit einiger Zeit Industrie und Forschungseinrichtungen zukunftsweisende Systeme und Technologien für vernetztes und autonomes Fahren auf ausgewählten Autobahnstrecken erproben. Eine wichtige Grundlage ist das im Juli 2016 vom BMVI gestartete Förderprogramm „Automatisiertes und vernetztes Fahren auf digitalen Testfeldern in Deutschland“. Dazu stehen in den kommenden fünf Jahren insgesamt 80 Millionen Euro zur Verfügung. Innovationen sollen somit den Härtetest für den Alltag durchlaufen können. Die Richtlinie spricht von „Laboren unter Realbedingungen“. Im Fokus stehen dabei insbesondere Projekte hinsichtlich Interaktion zwischen Fahrer und Fahrzeug, Verkehrsmanagement und -planung, Vernetzung und Datenmanagement sowie gesellschaftliche Aspekte.

Dorothee Bär bei der Verleihung des Best BKF

„Unser Land ist Logistikweltmeister. Damit das so bleibt, müssen wir die Digitalisierung auf allen Ebenen und entlang der gesamten Lieferkette vorantreiben. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur leistet dazu einen wichtigen Beitrag: Mit dem Digitalen Testfeld Autobahn auf der A9 in Bayern haben wir ein einzigartiges Versuchsfeld auf der Straße geschaffen. Dort testen wir auch neue digitale Lösungen für Nutzfahrzeuge, wie zum Beispiel das Platooning.“ Dies sagte Dorothee Bär, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, in einem Interview für die IAA aktuell, der offiziellen Messezeitung zur 66. IAA Nutzfahrzeuge, am 29. September 2016.

A9 – Meilenstein für vernetztes und autonomes Fahren

Wegweisend

Seit 2015 wird ein Teilstück der A9 zwischen München und Nürnberg hierfür ausgebaut. Für das Unterfangen hat sich das BMVI gemeinsam mit dem Freistaat Bayern, dem Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) und dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) zusammengetan. Testfahrzeuge von Audi, Mercedes-Benz oder BMW steuern längst regelmäßig durch den regen Autobahnverkehr der A9. Aber auch in Sachen vernetztes und autonomes Fahren tut sich einiges. Ein erstes Demonstrationsprojekt ist unter der Federführung der Deutschen Telekom, dem finnischen Telekommunikationskonzern Nokia Oyj, dem Automobilzulieferer Continental und dem Fraunhofer-Institut für Eingebettete Systeme und Kommunikationstechnik hervorgegangen.

Dabei geht es um die Car-to-Car- und Car-to-Infrastructure-Kommunikation. Autos oder Lkw sollen untereinander und mit der Fahrbahn Informationen austauschen. Zum Einsatz für vernetztes Fahren kommen hier Mobilfunkstandards wie LTE und 5G. Es ist eine hohen Bandbreite und schnelle Datenübertragung notwendig. Wenn beispielsweise ein Fahrzeug plötzlich abbremst, werden die nachfolgenden Verkehrsteilnehmer per Mobilfunk über den Vorgang informiert, unabhängig von der Sensorik des eigenen Fahrzeugs. Voraussetzung ist ein stabiles Mobilfunknetz ohne Funkloch. Das Konsortium stärkt nun die Abdeckung auf bestimmten Abschnitten.

Zwischen den bayrischen Städten Nürnberg und München wird auf der A9 autonomes Fahren praktiziert

Zwischen den bayrischen Städten Nürnberg und München wird auf der A9 vernetztes und autonomes Fahren praktiziert. Quelle: Google maps

Intelligente Infrastruktur für vernetztes und sicheres Fahren

Auch eine zweite Anwendung nimmt konkrete Form an: Die Konzerne Infineon Technologies und Siemens testen künftig auf der A9 ihre neuesten Technologien, um Echtzeitdaten zu Bewegungsmuster, Verkehrsdichte, Geschwindigkeit und Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer zu gewinnen. Die Informationen schaffen die Basis für vielfältige Anwendungen. Ein Beispiel ist eine individuelle Fahrspurempfehlung, die dem Fahrer die optimale Spur zu seinem Reiseziel vorgibt. Ein weiteres sind intelligente Tempolimits. Schon heute regeln sogenannte Verkehrsbeeinflussungsanlagen die zulässige Geschwindigkeit auf rund 1.200 Kilometern Autobahn, indem sie über verschiedene automatische Verfahren wie Induktionsschleifen, Infrarotsensoren oder Videoerfassung die Auslastung der Straße bewerten.

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Unter anderem an Schilderbrücken sollen Sensoren für das vernetzte Fahren angebracht werden

So werden die Verkehrsteilnehmer auch vor Gefahren wie Unfälle oder Staus gewarnt und über Überholverbote, gesperrte Fahrstreifen sowie zeitweise freigegebene Seitenstreifen informiert. Die Vernetzung der Daten von Straße und Autos über Mobilfunk soll das Fahren unabhängig davon noch schneller und sicherer machen. Möglich machen das Radarsignale, die die Fahrbahn sendet. Entlang des Streckenabschnitts werden nun dazu Sensorikanlagen an Schutzplanken, Leitpfosten, Masten und Schilderbrücken installiert. Die Inbetriebnahme ist für 2017 geplant. Die gesammelten Daten werden darüber hinaus im Internet anonym veröffentlicht. Sie stehen damit auch Dritten wie Digitalunternehmen und Forschungseinrichtungen zur Verfügung, um weitere Innovationen für die Mobilität der Zukunft zu entwickeln.

Weitere Testrecken in Planung

Auch der Großraum Karlsruhe soll bis 2017 ein Praxisfeld für autonomes und vernetztes Fahren werden. Das hat jüngst das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg beschlossen. Vor Ort wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. So sollen nicht nur auf Autobahnen, sondern zudem auf Bundesstraßen und in der Stadt autonome Pkw, Busse und Lkw getestet werden. Für das Ländle aber kein Novum: Im Oktober 2015 hat der Daimler-Konzern erstmals in der Nähe von Stuttgart auf der A8 sein „Highway Pilot“-System erprobt.

Hinweisschild Braunschweig

Braunschweig soll ebenfalls zum Testgebiet werden

Niedersachsen plant ebenfalls mehrere Teststrecken. Das Bundesland will auf der A2, A7 und A39 bei Salzgitter, Hannover und Braunschweig Fahrzeuge autonom fahren lassen. Dazu soll das Stadtgebiet von Braunschweig einbezogen werden. Die Strecken werden hierfür in den nächsten zwei Jahren mit der notwendigen Technik schrittweise ausgerüstet.

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