Lkw der Zukunft
23.11.2017 | Olaf Thiel

Premiere für den Elektro-Lkw von Tesla

Nach mehrfachen Verzögerungen hat der kalifornische Autobauer Tesla offiziell seinen Elektro-Lkw „Semi“ vorgestellt. Mit ihm will das Unternehmen 2019 in den Markt für Nutzfahrzeuge einsteigen.

Tesla und sein Gründer Elon Musk mischen als Pioniere bislang die Elektromobilität im Pkw-Sektor auf. Nun versuchen die Kalifornier Fuß zu fassen im hartumkämpften Geschäft für Transporter und Lkw. Musk stellte nun in den USA mit dem strombetriebenen Lastwagen „Semi“ seine Vision des emissionsfreien Sattelschleppers vor. Bei der Sattelzugmaschine handelt es sich um ein Nutzfahrzeug der amerikanischen „Class 8“ – vergleichbar mit dem europäischen Schwerlast-Lkw.

Vier E-Motoren mit maximal 800 km Reichweite

Die technischen Versprechen lassen die Konkurrenz aufhorchen: Der Semi verfügt über vier unabhängige Antriebe an den hinteren Achsen und soll damit laut Firmenchef eine Lebenszeit von einer Million Meilen (rund 1,6 Millionen Kilometer) haben. Mit einer maximalen Ladung von rund 36 Tonnen beschleunigt der Brummi von 0 auf 100 km/h in 20 Sekunden. Die Zugmaschine alleine schafft die 100 in nur fünf Sekunden. Dafür gibt es kein Getriebe und kein Differenzial.

Der neue Elektro-Lkw Semi von Tesla. Foto: Tesla

Der neue Elektro-Lkw Semi von Tesla. Foto: Tesla

Je nach gewünschter Batterieausführung bringt es der Elektro-Lkw entweder auf eine Reichweite von 300 (ca. 480 km) oder 500 Meilen (800 km). Pro Meile (ca. 1,6 Kilometer) soll der Semi weniger als 2 kWh verbrauchen. Der Akku des Semi soll über eine eigene mit Solarstrom betriebene Ladeinfrastruktur innerhalb von 30 Minuten für bis zu 640 Kilometer Reichweite nachgeladen werden. Vorrangig ist dazu die Stationierung der „Megacharger“ an den Standorten der Spediteure, Highways, Interstates sowie direkt an der Laderampe vorgesehen.

Futuristisches Design beim Elektro-Lkw

Das Exterieur ist aerodynamisch und futuristisch zugleich: Auf die typische Truckerhaube verzichtet der Tesla-Lkw. Die Front steigt in einem steilen Winkel an, die hinteren Räder sind abgedeckt. Der Fahrersitz befindet sich mittig im Cockpit, eingerahmt von zwei großen Touchscreen-Monitoren. Es soll zwei Kabinengrößen geben, einmal für den Fern- und einmal für den Verteilerverkehr. Sonstige Schalter, Knöpfe und Instrumente sucht man hier vergebens. Mit an Bord soll es zudem einen Notbremsassistenten, eine Spurhaltefunktion sowie ein Kollisionswarnsystem geben. Doch ein großer Schlafplatz fehlt. Denn den Strategen von Tesla geht es nicht darum, Waren von der amerikanischen Ost- zur Westküste zu transportieren, sondern Flughäfen, Bahnhöfe und Schiffshäfen mit großen Verteilzentren zu verknüpfen oder große Supermärkte zu beliefern.

Innenraum vom Semi/Tesla

Futuristisch geht es innen weiter: Von einem gewohnten Cockpit bleibt nur das Lenkrad. Foto: Tesla

Günstiger als der Diesel

Ein Preis für den Lastwagen wurde auf der Veranstaltung nicht kolportiert. Musk betonte, dass das Modell im Dauerbetrieb wesentlich effizienter und wirtschaftlicher sei als die Konkurrenz mit Diesel-Motoren. Sehr allgemein wurde von Einsparungen in Höhe von 200.000 US-Dollar pro Jahr gesprochen. Dazu warf der Firmenchef eine Beispielrechnung auf, wobei er regionale Diesel- und Strompreise zugrunde legte: Bei einer Strecke von 160 km und einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen sowie einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 100 km/h und einem Preis von sieben US-Cent pro kWh soll der Semi den Spediteur geschätzte 1,26 US-Dollar pro gefahrene Meile kosten. Bei einem Diesel-Lkw seien es 1,51 US-Dollar. Und beim sogenannten Platooning, bei dem sich mehrere teilautonom fahrende Semi zu einer Kolonne zusammenschließen, würden die Kosten sogar auf 0,85 US-Cent pro Meile sinken – Aufwände für Versicherung und Wartung inklusive.

Herausforderung Heimatmarkt

Mit dem Semi wird sich Tesla vorrangig auf den Verteilverkehr auf Mittelstrecken in USA und Kanada orientieren. Dort ist der Markt mit schweren Sattelschleppern ein Milliardengeschäft. Doch anders als im Pkw-Geschäft ist Tesla mit seiner Elektroinnovation nicht alleine auf weiter Flur. Siemens etwa arbeitet in mehreren Feldversuchen an Oberleitungen über den E-Highways. Der Daimler-Konzern besitzt mit der Marke Freightliner Trucks bereits eine starke Marktposition vor Ort und präsentierte im Oktober nun den E-Fuso Vision One mit einer Nutzlast von elf Tonnen und einer Reichweite von 350 Kilometern.

Noch ist er nicht auf den Straßen unterwegs. Foto: Tesla

Das Start-up Nikola, dessen Gründer früher bei Tesla gearbeitet haben, kombiniert einen Elektro-Lkw mit Brennstoffzellen zur Energiegewinnung: Der Nikola One verfügt über eine Batterie mit einer Kapazität von 320 kWh, 1.000 PS und lässt sich in 15 Minuten vollständig auftanken. Die Reichweite wird mit knapp 1.300 bis 2.000 Kilometern angegeben. Und selbst der US-Dieselmotoren-Hersteller Cummins hat im August den Prototyp eines Elektro-Lkw vorgestellt. Der AEOS getaufte Brummi soll eine maximale Nutzlast von 20 Tonnen stemmen und dank einer 140-kWh-Batterie rund 160 Kilometer fahren können.

Wie bei Tesla üblich, werden schon jetzt Vorbestellungen gegen die Vorauszahlung von 5.000 US-Dollar pro Lkw angenommen. Der weltgrößte Supermarkt-Konzern Wal-Mart hat nach Medienberichten bereits 15 Exemplare für Testzwecke reserviert. Denn der Elektro-Lkw soll auch schon im übernächsten Jahr in Serie gehen. Allerdings sind Zweifel angebracht: Tesla hatte die Präsentation des Trucks im Vorfeld bereits mehrfach verschoben und machte zuletzt immer wieder Schlagzeilen wegen Lieferzeitverzögerungen und Produktionsschwierigkeiten bei seinen Pkw-Modellen.

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