Viele Lkw stehen auf einem Lkw-Parkplatz auf einem Rasthof bei Nacht
19.01.2021 | Olaf Thiel

Lkw-Parkplätze: Ausgeruhte Fahrer*innen kommen sicher ans Ziel

Fragt man Lkw-Fahrer*innen, was sie am meisten belastet, ist die Antwort häufig: „Die überfüllten Lkw-Parkplätze“. Die Folgen sind nicht nur für die Betroffenen relevant, die Lenkzeiten einhalten müssen. Denn gestresste oder übermüdete Fahrer*innen verursachen leichter Unfälle. Und wild abgestellte Lkw stellen ebenfalls ein Risiko dar.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat kürzlich Pläne veröffentlicht, wonach der Bau neuer Lkw-Parkplätze an Autobahnen mit insgesamt 90 Millionen Euro gefördert werden soll. Der Bund will damit privaten Investoren Anreize geben, mehr Lkw-Parkplätze in Autobahnnähe zur Verfügung zu stellen. Ziel ist ein Förderstart noch im ersten Halbjahr 2021.

Deutschlandweit fehlen 35.000 Lkw-Parkplätze

Der Toll Collect-Blog hat dieses akute Thema zum Anlass genommen, mit Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes für Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, über die Parkplatz-Situation auf deutschen Autobahnen zu sprechen.

Toll Collect-Blog: Offiziell fehlen derzeit 35.000 Lkw-Parkplätze alleine in Deutschland. Was genau bedeutet diese Zahl für den einzelnen Lkw-Fahrenden im Berufsalltag?

Prof. Engelhardt: Mit der Parkplatzproblematik sprechen Sie in der Tat eines der größten Probleme an, das unseren Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrern seit Jahren das Leben schwermacht. Die allabendliche Suche nach einem Lkw-Parkplatz ist nicht nur stressig und auf überfüllten Rastplätzen gefährlich, sie kostet auch wertvolle Lenkzeit.

Der BGL hatte die Problematik schon frühzeitig identifiziert und das Thema „fehlende Lkw-Parkplätze“ bereits im Jahre 2002 mit der Übergabe von mehreren Tausend Unterschriften an den Bundesbauminister auf die politische Tagesordnung gehievt. Die darauffolgenden Stellplatzzählungen im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums dokumentierten die dramatische Lage.

Toll Collect-Blog: Was ist seitdem passiert?

Prof. Engelhardt: In der Zwischenzeit wurden seitens der Politik zwar große Anstrengungen beim Parkplatzbau unternommen. Jedoch war zum einen die Lücke mit 14.200 fehlenden Lkw-Stellplätzen bei der ersten Stellplatzzählung im Jahre 2008 bereits damals sehr groß. Zum anderen wächst der Bedarf an Lkw-Stellplätzen angesichts des zunehmenden Straßengüterverkehrs mit jedem Jahr weiter, so dass der Ausbau hinter den Erfordernissen zurückbleibt.

Aktuell erreichte uns in diesem Zusammenhang die Meldung des hessischen Verkehrsministeriums, dass im 1. Quartal 2021 66 neue Lkw-Stellplätze gebaut werden sollen, 2022 44 weitere und 2013 könnten die Arbeiten für nochmals 85 weitere Lkw-Stellplätze beginnen.

Schwerpunkt muss auf Neubau von Lkw-Parkplätzen liegen

Toll Collect-Blog: Es gibt viele Ideen, Initiativen und Unternehmen, die sich mit Lösungen gegen den Parkplatzmangel beschäftigen. Dabei geht es um Akquise sonst ungenutzter Flächen,  Leitsysteme für das Kolonnenparken oder den Neubau von Lkw-Parkplätzen. Wo sollte Ihrer Meinung nach dabei der Fokus liegen? Worauf kommt es jetzt an?

Prof. Engelhardt: Der Schwerpunkt muss eindeutig beim Neubau von Lkw-Parkplätzen liegen – dies ist schließlich auch ein Gebot der Verkehrssicherheit, denn nur ausgeruhte Lkw-Fahrer sind sichere Lkw-Fahrer zum Nutzen aller Verkehrsteilnehmer. Das System des sogenannten Kolonnenparkens erscheint nach den derzeit vorliegenden Praxiserfahrungen als eine geeignete Ergänzung zum Lkw-Stellplatzbau – ersetzen kann sie ihn angesichts schätzungsweise 35.000 bis 40.000 fehlender Lkw-Stellplätze entlang der Bundesautobahnen allerdings nicht.

Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher bei Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., spricht über fehlende Lkw-Parkplätze

Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher bei Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V.

Toll Collect-Blog: Wie können Mautdaten bei der Bekämpfung des Problems der fehlenden Parkplätze eingesetzt werden?

Prof. Engelhardt: Mit den Mautdaten könnte man zeitnah feststellen, wo die Unterdeckung an Stellplatzkapazitäten am größten ist, und die Reihenfolge der Ausbau-/Neubauprojekte entsprechend priorisieren. Außerdem könnte eine Algorithmus-Entwicklung auf Mautdatenbasis verwendet werden, um die weitere Parkplatzsituation (besser) zu prognostizieren.

Förderprogramme sollen helfen

Toll Collect-Blog: Aus welcher Richtung erwarten Sie noch mehr Unterstützung zur Lösung der Problematik des Parkplatzmangels?

Prof. Engelhardt: Die Politik ist auf europäischer und Bundesebene gefordert, durch entsprechende Förderprogramme geeignete Anreize für zusätzliche Lkw-Stellplätze auf Betriebshöfen von Transportunternehmen und Speditionen wie auch bei Unternehmen der verladenden Wirtschaft zu setzen. Hier hat der BGL dem BMVI zwischenzeitlich ein entsprechendes Konzept unterbreitet und es wurde uns bereits die Implementierung eines Förderprogrammes im Laufe des kommenden Jahres signalisiert.

Toll Collect-Blog: Abgesehen vom Mangel an Lkw-Parkplätzen – was beschäftigt die Logistik derzeit am meisten?

Prof. Engelhardt: Zum einen, dass wir alle möglichst heil durch die Corona-Krise kommen, denn die zweite Corona-Welle bedroht europaweit auch viele Transportunternehmen in ihrer Existenz. Und zum anderen, dass die Maßnahmen zur Einhaltung der sehr ambitionierten Klimaschutzziele ökologisch und ökonomisch nachhaltig umgesetzt werden.

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