Elektrofahrzeuge auf der Teststrecke
04.05.2017 | Olaf Thiel

Elektrofahrzeuge: Die Energie kommt aus der Straße

Straßen werden sich ändern – und zwar in einem weitaus größeren Maße, als man es sich vermutlich bisher vorstellen konnte. Verkehrsplaner, Ingenieure und Forscher weltweit arbeiten an einer neuen Generation von Straßen, die künftig Strom für Elektrofahrzeuge erzeugen und übertragen soll.

Die Dimension einer vollkommen neuen Straßengeneration wird insbesondere deutlich, wenn man sich die Fakten über den kontinuierlichen Zuwachs der Warenströme auf den Autobahnen und Bundesstraßen vergegenwärtigt. Zumal die Folgen und Schäden für das Klima enorm sind. Die Autoindustrie arbeitet bereits an Alternativen zum Verbrennungsmotor, auch für den Lkw. Elektrofahrzeuge gelten als eine umweltschonende Alternative für den Güterverkehr. Verschiedene Technologien werden längst unter realen Bedingungen auf der Straße getestet.

Die Unternehmensberatung Deloitte prognostiziert, dass hierzulande in zehn Jahren 13 Prozent der neu zugelassenen Nutzfahrzeuge über alternative Antriebe verfügen. Auf solche Entwicklungen muss das Verkehrsnetz ausgelegt werden. Verkehrsplaner, Wissenschaftler und Start-ups spielen daher bereits diverse Szenarien durch, wie unsere Straßen in den nächsten Dekaden aussehen könnten. Eines davon ist das Konzept der „autarken Straße“ –  ein Verkehrsweg, der die straßenseitige Infrastruktur wie Ampeln, digitale Verkehrsbeeinflussungsanlagen und Laternen mit Energie versorgt und obendrein auch noch Strom für Elektrofahrzeuge liefert.

Die Straße als Kraftwerk

Für die Stromgewinnung nimmt dabei die Sonne als Energieträger eine wichtige Rolle ein. In den Niederlanden ist das Projekt SolaRoad ein voller Erfolg. Der 2014 im Ort Krommenie erste eröffnete Solar-Fahrradweg der Welt, bestehend aus 90 Meter gepflasterten Solarmodulen hinter Sicherheitsglas, produziert von Jahr zu Jahr mehr Strom. Die Technologie soll daher künftig in Kalifornien beim Straßenbau zum Einsatz kommen.

Der Fahrradweg von Solaroad in den Niederlanden. Foto: Solaroad

Einen identischen Ansatz verfolgt das Projekt Solar Roadway eines Tüftler-Ehepaars in den USA. Dort soll auf der sagenumwobenen Route 66 eine erste Teststrecke im US-Bundesstaat Missouri entstehen. Bislang fehlt dem Vorhaben aber das nötige Kapital. Und so wurden zu Demonstrationszwecken bislang lediglich 30 Paneele in einer Kleinstadt auf einem öffentlichen Platz verankert. Sie erzeugen Strom für den angrenzenden Springbrunnen. Über eine Webcam ist die Installation zu sehen.

Wesentlich weiter sind die Entwicklungen in Frankreich, genauer gesagt in der Normandie. Im Ort Tourouvre-au-Perche wurde Ende 2016 nach fünfjähriger Entwicklungszeit die allererste Solarstraße eingeweiht. Der Fahrbahnbelag der ein Kilometer langen Strecke ist mit Photovoltaikmodulen bestückt. Er soll Strom für die Straßenlaternen der Gemeinde produzieren. Die Sonnenpaneele sind erstaunlicherweise nur einige Millimeter dünn, aber stabil genug für Lkw.

Elektrofahrzeuge sind auf einer Straße aus Solarmodulen unterwegs. Nur eine Zukunftsvision?

Und im Land der Autobahnen? Das deutsche Start-up Solmove plant nach eigenen Angaben auf dem Gelände der Bundesanstalt für Straßenwesen eine Teststrecke zu errichten. Ansonsten gibt es keine bekannten Vorhaben. Das hat Gründe. Die Solarstraße ist nicht unumstritten. Die Kosten für den gewonnenen Strom sind im Vergleich zu herkömmlichen Modulen um ein Vielfaches höher. Das hängt mit der flachen Bauweise und dem dadurch geringeren Wirkungsgrad zusammen. Im Endeffekt produzieren sie so weniger Strom. Denn normalerweise sind Solaranlagen schräg angebracht, wie bei Hausdächern oder Feldern. Hinzu kommen Faktoren wie Witterung und Schnee. Und schließlich müssen sich die Anlagen betriebswirtschaftlich rechnen. Ein flächendeckender Einsatz der Technologie wäre jedenfalls ein kostspieliges Unterfangen und mehrere Hundert Milliarden Euro teuer.

Die Straße als Zapfsäule für Elektrofahrzeuge

Bislang ist es nur eine Vision: Einen anderen Weg verfolgt das Projekt Solar Serpents eines schwedischen Architekturbüros. Es sieht die Überdachung von kalifornischen Autobahnen mit Photovoltaikmodulen vor. Auf einem 24 Kilometer langen Teilstück ließen sich so 600.000 Paneele installieren und 150 Gigawattstunden Strom pro Jahr erzeugen. Das würde den Bedarf eines Stadtteils von Los Angeles mit rund 40.000 Einwohnern decken. Das CO2 soll per Rohrsystem in entlang des Highways gebaute Teiche mit Algenkulturen geleitet werden. Wie ein Baum sind auch Algen in der Lage, Photosynthese zu betreiben und Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff umzuwandeln. Der gewonnene Strom könnte über ein Grid direkt auch an naheliegende Häuser und Geschäfte weiter geführt werden. Und für Elektrofahrzeuge gäbe es direkt an der Fahrbahn Ladesäulen – ein echter Mehrwert.

E-Highway in Betrieb

Im Juni 2016 ging der erste E-Highway auf einer öffentlichen Straße in Betrieb. Copyright: Scania CV AB

In Deutschland können Autofahrer derzeit vorrangig in Ballungsräumen über eine private oder eine öffentliche Ladestation ihre Elektrofahrzeuge aufladen. Die Bundesnetzagentur hat kürzlich eine interaktive Übersichtskarte von öffentlich zugänglichen Ladepunkten veröffentlicht. Entsprechende Infrastruktur entlang der Fernstraßen auf Raststätten und Autohöfen ist aber Mangelware. Das verbunden mit der geringen Energiedichte derzeitiger Akkulösungen und langer Ladezeiten hat die E-Mobilität für den Lkw-Fernverkehr konsequenterweise momentan keinen guten Stand. Mehrere Lkw-Hersteller und Zulieferer, allen voran Siemens, versuchen mit dem E-Highway den Gegenbeweis anzutreten. Das Prinzip: Mit Hybridtechnik und intelligenten Stromabnehmern ausgerüstete Lkw können aus Oberleitungen elektrische Energie beziehen.

Größere Reichweiten für Elektrofahrzeuge

Ein weiterer Ansatz ist die Idee, dass sich Elektrofahrzeuge ohne physischen Kontakt mit Strom versorgen. Das sogenannte induktive Ladeverfahren ist aus dem Alltag schon länger bekannt, etwa bei elektrischen Zahnbürsten oder Mobiltelefonen. Das physikalische Prinzip stammt aus dem 19. Jahrhundert. Der serbische Elektroingenieur Nikola Tesla entwickelte eine Spulenkonstruktion, mit der elektrisch produzierter Wechselstrom ein pulsierendes Magnetfeld erzeugt. Übertragen auf die Elektromobilität sind sowohl in der Fahrbahn als auch im Auto Spulen eingebaut, durch die Strom fließt und die so ein magnetisches Feld erzeugen. Bringt man die beiden Spulen im richtigen Abstand zusammen, fließt Strom und der Akku im Fahrzeug lädt. Die Technologie kommt derzeit vorrangig bei parkenden Fahrzeugen zum Einsatz. Unter anderem werden Busse der Städte Braunschweig und Berlin an den Haltestellen induktiv aufgeladen.

Die ultimative Entwicklungsstufe ist das dynamische Laden während der Fahrt. Auf einer 25 Meter langen Fahrbahn haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung das Aufladen eines E-Autos während der Fahrt schon erfolgreich demonstriert. Dazu wurden die Spulen hintereinander in die Fahrbahn eingearbeitet. Doch zu welchem Preis und Aufwand lassen sich allein 13.000 Kilometer Autobahn in Deutschland ausstatten? Das israelische Unternehmen ElectRoad hat nach eigenen Angaben eine induktive Technologie für den Massenmarkt entwickelt. Die Umrüstungszeit von einem Kilometer Straße soll lediglich einen Tag dauern. Kupferleitungen werden dabei wenige Zentimeter unter den Asphalt gelegt. Der induktive Empfänger am Fahrzeug lässt sich ebenfalls nachrüsten. Zudem soll das System viel kleinere Batterien ermöglichen. Das reduziert wiederum Gewicht und Kosten der Fahrzeuge. Tests mit Elektrobussen auf einer Strecke in Tel Aviv soll jetzt zeigen, wie sich das Prinzip im Alltag schlägt.

Wir können gespannt bleiben. Bis zur Straße der nächsten Generation wird es aber noch etwas Zeit brauchen.

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