10.05.2016 | Olaf Thiel

Christian Labrot spricht über Lkw-Maut und Image des Berufskraftfahrers

Der neue Präsident des Weltverbandes für Straßenverkehr IRU spricht im zweiten Teil seines Interviews über die Lkw-Maut in Europa und das Image von Berufskraftfahrern.

Wie unterstützt die IRU die Digitalisierung im Transportgewerbe?

Der Verband will zukünftig die Digitalisierung entlang der supply-chain und in der Logistik weiter vorantreiben. Derzeit läuft ein Feldversuch zwischen dem Iran und der Türkei mit einem elektronischen Carnet-TIR. Das ist vergleichbar mit der elektronischen Bordkarte beim Fliegen. Der Fahrer hat einen Barcode, mit dem er sich ausweist. Damit können die Daten an der Grenze abgerufen werden. Also das klassische papierlose Arbeiten. Das TIR-Verfahren wäre somit viel flexibler, auch im Hinblick auf Haftungssummen und Nutzungsbereiche. Die notwendigen Papiere müssen nicht mehr auf dem teuren Spezialpapier ausgedruckt werden. Das spart Kosten, ist viel effizienter, zukunftsgerichteter und hat nutzbringende Effekte für den Transportunternehmer: Er loggt sich als Mitgliedsunternehmen eines IRU-Verbandes ein, ruft sein Carnet ab, macht gleichzeitig für seine Ladung den elektronischen CMR-Frachtbrief fertig und kann auf seinem digitalen Routenplaner auf der ausgewählten Strecke schon die sicheren Übernachtungsparkplätze für seinen Fahrer buchen. Das ist ein Teil des das Ziel-Szenarios.

Wie profitiert ein deutsches Transportunternehmen von der IRU?

Die IRU ist ein Dachverband von nationalen Verbänden und darauf angewiesen, dass die einzelnen Mitglieder die Vorteile und Dienstleistungen der IRU an ihre Unternehmen weitergeben. Da gibt es große Unterschiede. Vor allem setzt sich die IRU dafür ein, das Alltagsgeschäft für die Transportunternehmen und die Berufskraftfahrer zu verbessern. Das ergibt dann auch einen ganz konkreten Nutzen für den Transportunternehmer.

Ich sehe die IRU darüber hinaus als übergreifende politische Interessenvertretung in aller Welt für die Landesverbände und damit für die Transportunternehmer. Zum Beispiel vertreten in Brüssel fast 15 Mitarbeiter unsere verkehrspolitischen Anliegen gegenüber der EU.

Christian Labrot im Interview

IRU-Präsident und BWVL-Hauptgeschäftsführer: Christian Labrot spricht über die Lkw-Maut aus Verbandssicht

Das Image des Straßengüterverkehrs ist nicht das Beste. Inwieweit kann die IRU unterstützen, das Bild des Berufskraftfahrers und des Straßengüterverkehrs zu verbessern?

Das ist ein mühsamer Prozess. In Deutschland wurde schon viel Geld für Informationskampagnen ausgegeben, die das Image des Berufskraftfahrers verbessern sollen. Doch wenn der Lkw-Unfall auf der Autobahn einen langen Stau im Feierabendverkehr verursacht oder der Brummi überholt, dann schimpfen die Pkw-Fahrer. Auf der einen Seite erwarten die Verbraucher  Same-Day-Delivery, auf der anderen Seite klagen sie über unliebsame Lkw.  So gesehen ist es ein Drahtseilakt.

Wir als IRU können helfen das Image zu verbessern, indem wir zum einen immer wieder die Bedeutung des Straßengüterverkehrs herausstellen – sowohl für die Wirtschaft als auch für das tägliche Leben jedes Einzelnen. Zum anderen tragen wir durch die Akademie oder die Unterstützung neuer Technologien dazu bei, den Gütertransport auf den Straßen sicherer und umweltverträglicher zu machen. Was das Image betrifft, können wir in Deutschland aber auch von anderen Ländern lernen. Beispielsweise hat Logistik in den Niederlanden einen viel höheren Stellenwert als  bei uns. Oder wenn ich in die USA schaue: Die haben eine ganz andere Wahrnehmung des Berufskraftfahrers – dort ist man stolz, Trucker zu sein. Ziel ist es, das Bewusstsein für den Beruf und die Branche Schritt für Schritt zu ändern, und so das Image zu verbessern.

Lkw-Maut ist ein Zukunftsmodell

Wie sehen Sie als Präsident des Weltverbandes für Straßengüterverkehr die Zukunft der Lkw-Maut?

Von der Zukunft der Maut als Instrument der Infrastrukturfinanzierung bin ich überzeugt. Wir reden ja heutzutage nicht mehr darüber, ob Maut erhoben wird. Sondern meist über die Zweckbindung, die Höhe oder die Ausweitung der Maut – in Belgien jetzt ganz aktuell.

Sorgen machen mir als IRU Präsident eher nationale Alleingänge, und als Folge die zunehmende Zersplitterung und fehlende Interoperabilität der Mautsysteme. Das ist für den Nutzer genauso wenig tragbar wie zum Beispiel die europäische Mindestlohndiskussion. Wenn ich mir vorstelle, ein polnischer Lkw-Fahrer transportiert Orangen von Spanien durch Frankreich und Deutschland nach Polen und unterliegt in jedem Land anderen Mindestlohnanforderungen, das ist ja schlicht nicht machbar.

Und genauso verhält es sich mit den verschiedenen Mautsystemen. Ich finde es untragbar, wenn die Fahrer acht OBUs an der Scheibe kleben haben. Und das Ganze unter dem Gesichtspunkt der heutigen Digitalisierungsdiskussion, wo doch in jedem neueren Lkw bereits massenhaft Elektronik und ein GPS-Empfänger verbaut sind. Bleiben wir beim Beispiel Belgien: Wie soll man es einem Lkw-Nutzer erklären, dass es in einem so kleinen Land auch noch drei unterschiedliche Tarife gibt? Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Bis wir eine einheitliche europäische Maut haben, ok, das ist wirklich ein langfristiges Projekt. Aber es muss doch möglich sein, ein Mautgerät zu haben, das mit einem Provider über alle Mautsysteme hinweg funktioniert – beim Handy geht das doch auch.

Labrot will mehr Service für Mitglieder

Christian Labrot ist seit 100 Tagen im Amt des Präsidenten der IRU (International Road Transportation Union). In der vergangenen Woche sprach er bereits über seine Ziele für seine zweijährige Amtszeit. Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews.

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