14.11.2016 | Redaktion Blog

Automatisiertes Fahren hat keine Priorität

Automatisiertes Fahren – Was halten Logistiker davon und wie sehen das die Fahrer? Damit und mit weiteren Fragestellungen rund um die Logistikbranche beschäftigt sich die Mobilitätsstudie von Continental. Wir haben uns die Umfrageergebnisse mal genauer angeschaut.

Automatisiertes Fahren und vernetzter Truck – seit einiger Zeit geistern die Schlagwörter nun schon durch die Medien. Sie werden besonders von Fahrzeug- und Technologieherstellern als nächster logischer Schritt gesehen: Automatisierung „auf dem Bock“ wird als das Wundermittel für die Logistikbranche propagiert.

So sprach beispielsweise Daimler-Vorstand Dr. Wolfgang Bernhard in einer Rede im März 2016 davon, dass „Lkw […] das Rückgrat der Wirtschaft [sind]“, jedoch bislang nicht effektiv genutzt werden können. Das Straßennetz inklusive Staus und voller Raststätten oder Wartezeiten vor dem eigentlichen Be- und Entladen führen zu Herausforderungen, die die Fahrer, aber auch die Spediteure und Logistiker an ihre Grenzen bringen. Jedoch könnte intelligente Technologie an Bord Informationen zur Ladung und zur Situation auf der Straße in Echtzeit erfassen und übermitteln, wodurch stressfreieres Planen, Fahren und letztendlich auch Wirtschaften möglich wird.

Soweit die Hersteller – doch wie schätzen die Menschen die Lage ein, die tatsächlich tagtäglich mit dem Transport von Waren auf Deutschlands Straßen zu tun haben?  Erkenntnisse dazu liefert die diesjährige Mobilitätsstudie von Continental, für die im Sommer 2016 das Feedback von 127 Logistikern und 301 Fahrern von Nutzfahrzeugen zwischen 3,5 und 40 Tonnen in Deutschland genau zu diesem Trendthema eingeholt wurde.

Logistiker: Skepsis und Zustimmung gleichermaßen

Für die befragten Logistiker stehen vor allem die Rahmenbedingungen als die eigentlichen Herausforderungen im Vordergrund.

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„Der Wettbewerb um gut ausgebildete Berufsfahrer wird härter.“ Quelle: http://www.continental-corporation.com

So sehen 91 Prozent den Wettbewerb um gut ausgebildete Fahrer, 88 Prozent den steigenden Kostendruck, 92 Prozent die schlecht ausgebaute Transportinfrastruktur – also Straßen, Brücken etc. – und 72 Prozent die wachsenden Anforderungen an den Umweltschutz für die wesentlichen Themen, für die Lösungen gefunden werden müssen.

Hingegen wird automatisiertes Fahren von nicht einmal jedem Dritten (28 Prozent) als Chance für die Branche gesehen. Offensichtlich sehen das die Logistiker derzeit nicht als Lösung für ihre drängendsten Probleme. Ebenso gehen gut zwei Drittel (69 Prozent) der befragten Spediteure, Logistiker und Flottenbetreiber davon aus, das ihre Fahrer automatisiertes Fahren als unattraktiv bewerten.

Auch bei der Einschätzung der Relevanz für das eigenen Unternehmen scheint automatisiertes Fahren aktuell nicht die höchste Priorität zu haben. So schätzen nur etwas mehr als jeder Dritte die Möglichkeit der Fahrzeugvernetzung (38 Prozent) und jeder Vierte Platooning bzw. automatisiertes Fahren (25 bzw. 26 Prozent) als stark zukunftsrelevant für das eigene Unternehmen.

Viele Logistiker scheinen der momentanen Entwicklung eher skeptisch gegenüber zu stehen, prüfen aber durchaus die entstehenden Möglichkeiten. Bedingt durch den hohen Kostendruck der Branche müssen neue Technologien eine sehr schnelle und berechenbare Amortisierung bieten.

Automatisiertes Fahren für Lkw-Fahrer nicht relevant

 Ähnlich sehen die Meinungen der Fahrer aus, wenn auch aus anderen Beweggründen. Für sie zählen vor allem ihre eigenen Arbeitsbedingungen und weniger wirtschaftliche Aspekte.

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„Die Zufriedenheit der Fahrer mit der Infrastruktur ist äußerst gering.“ Quelle: http://www.continental-corporation.com

Automatisiertes Fahren ist für nur 15 Prozent attraktiv und verschwindende 9 Prozent wollen die Technik. Auffällig an dieser Stelle ist der überragende Wunsch der Fahrer, in ihrem Job, alles frei entscheiden und steuern zu können (55 Prozent). Wird automatisiertes Fahren gar als Bevormundung empfunden?

Bei der Einschätzung ihrer derzeitigen Arbeitsbedingungen sieht die Studie die wesentlichsten Defizite im Bereich der Infrastruktur. So gaben die Fahrer an, dass sie unzufrieden sind mit …

  • der Sicherheit auf den Fahrten und an den Rasthöfen,
  • dem Angebot von Speisen und Getränken an den Rasthöfen,
  • den Freizeitmöglichkeiten auf längeren Strecken,
  • dem Zustand der Straßen,
  • dem Zustand der Stellplätze an den Rasthöfen und
  • der Anzahl der Stellplätze an den Rasthöfen.

Hierbei gibt es durchaus Bereiche, in denen Elektronik im Truck helfen kann. Dies spiegelt sich dann bei der Beurteilung der Assistenzsysteme, die mitunter in Fahrerkabinen installiert sind, wider. Mehr als die Hälfte aller befragten Kraftfahrer (54 Prozent) sind mit ihnen zufrieden.

Sofern diese Technologien vorhanden sind, gelten sie als zuverlässig und bedienerfreundlich. Die Fahrer beurteilen auch die Verfügbarkeit und die Passgenauigkeit der Systeme an ihren alltäglichen Bedarf als mehrheitlich positiv.

Unterschiedliche Funktionswünsche

Grundsätzlich ähneln sich die Meinungen von Logistikern und Kraftfahrern zur Bedeutung der Automatisierung in der Fahrerkabine. Doch über die Funktionen, die Assistenzsysteme übernehmen sollen, herrscht kaum Einigkeit.

Automatisiertes Fahren gehört nicht dazu

„72% der erfahrenen Fahrer wünschen sich mehr Assistenzsysteme“. Quelle: http://www.continental-corporation.com

Für die Logistiker sind das die wichtigsten Funktionen, die von digitalen Systemen übernommen werden sollen:

  1. Fahrassistenzfunktionen
  2. Kraftstoffsparende Technologien
  3. Reifendrucküberwachungssysteme
  4. Komfortfunktionen im Innenraum
  5. Systeme zur verbesserten Kommunikation mit dem Fahrer
  6. Flottenmanagement-Software zur Verbesserung der Logistikplanung und Arbeitseffizienz

Die Fahrer haben diese Wunschliste:

  1. Verbesserte Anzeigesysteme für freie Rasthöfe
  2. Verbesserte Navigationssysteme
  3. Reifendrucküberwachungssysteme
  4. Fahrassistenzfunktionen
  5. Verbesserte Kommunikationstechnik (Internetzugang, Telefonintegration, Unterhaltungselektronik)
  6. Kraftstoffsparende Technologien
  7. Verbesserte Anzeigesysteme für Werkstätten
  8. Systeme zur Verbesserung der Kommunikation mit Ihrem Unternehmen (Messaging service)

Die voneinander abweichenden Interessen ergeben sich natürlich aus den verschiedenen Arbeitsaufgaben: So fokussieren sich Logistiker eher auf die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Touren, während die Fahrer ihre persönlichen Arbeitsbedingungen angenehm gestaltet haben möchten.

So verwundert es beispielsweise nicht, wenn Logistiker kraftstoffsparende Systeme auf einer früheren Position (2) nennen als die Fahrer (6). Die Trucker differenzieren wiederum bei der Ausstattung ihrer Fahrerkabine, während die Spediteure diesen Bereich unter einem Punkt zusammenfassen.

Einer der befragten Logistiker antwortet auf die Frage nach der Bedeutung von zum Beispiel besseren Sitzen, besseren Infotainment-Systemen und mehr Platz  in der Kabine so zusammen: „Aus der Sicht des Einkäufers [ist das] nicht besonders auf der Wunschliste, aber aus Sicht der Personalabteilung schon, denn die möchte attraktive Arbeitsplätze schaffen.“

Studie als Anregung für Systemhersteller?

Ein Resümee der Studie – die immerhin von einem Hersteller von Assistenzsystemen in Auftrag gegeben wurde – ist, dass noch einiges an Aufklärungsarbeit nötig ist, um die Vorteile und Nutzen ihrer Systeme zu erklären. Andererseits könnte es aber auch möglich sein, dass die Fähigkeiten der derzeitig erhältlichen Systeme noch nicht komplett auf die tatsächlichen Anforderungen im Fahralltag abgestimmt sind.

Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen? Setzen Sie Assistenzsysteme ein und wie werden sie von Ihren Fahrern angenommen bzw. inwiefern unterstützen Sie sie als Fahrer?

 

 

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