03.04.2020 | Olaf Thiel

Logistik reif fürs digitale Zeitalter?

Eine aktuelle Studie zeigt: Wenngleich die Logistik bereits digitale Technologien nutzt, bleibt die strategische Umsetzung der Digitalisierung auf breiter Ebene eine der zentralen Herausforderungen.

Die Anforderungen an die Logistik verändern sich mit rasender Geschwindigkeit. Anhaltende Globalisierung, kürzere Produktlebenszyklen, neue Technologien sowie zuletzt das Corona-Virus sind Treiber dieser Veränderungen. Hinzu kommen die wachsende Bedeutung des Onlinehandels, steigende Kundenanforderungen hinsichtlich Flexibilität und Qualität der Belieferung sowie eines steigenden Umweltbewusstseins. Diese Megatrends wirken insbesondere auf den Alltag der Logistik.

Gleichzeitig verändert die zunehmende Digitalisierung die Branche. Die Mehrheit der Logistiker ist sich der Auswirkungen auf das Transportwesen und ihr Geschäft bewusst. Vor diesem Hintergrund hat sich im Rahmen einer Studie die IUBH Internationale Hochschule mit der konkreten Umsetzung der Digitalisierung in den Unternehmen auseinandergesetzt.

Die Studie zeigt: Der Großteil der Logistiker befindet sich inmitten der Transformation und hat das Thema auf der Agenda. Den größten Veränderungsdruck verspüren sie durch die Kunden. Die Unternehmen arbeiten daher intensiv daran, ihre Prozesse, Produkte und Dienstleistungen durch den Einsatz von digitalen Technologien zu verbessern.

Das Hauptaugenmerk liegt auf Geschäftsprozessen, Hardware und IT-Systemen. Allerdings sieht das Gros der befragten Logistik-Experten noch Optimierungsbedarf bei der Vorgehensweise. Es fehlt in den Häusern teils an strategiegeleiteten und systematischen Ansätzen. Weniger als die Hälfte verfolgt eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie, bei einem Drittel fehlt ein klares Bekenntnis der Unternehmensführung. Dabei gilt die Top-down-Strategie nach überwiegender Meinung als wichtigster Hebel. Nur rund 30 Prozent plädieren für einen Bottom-up-Ansatz, wo von den Mitarbeitern auf operativer Ebene in der konkreten Umsetzung deutlich mehr Engagement kommt.

Digitalisierung ist eine Ressourcenfrage

Zwar spielt bei 80 Prozent der befragten Unternehmen Digitalisierung eine Rolle, ist aber nur in rund 30 Prozent ein dominanter Aspekt. Die Autoren der Studie sehen die Gründe insbesondere im Tagesgeschäft. Gerade bei kleinen und mittelständischen Branchenvertretern ist die Belegschaft stark operativ eingebunden, sei es bei der Kundenkommunikation oder dem Auftragsmanagement. Es fehlen schlichtweg Zeit und Ressourcen, um sich intensiv mit ganzheitlichen Lösungen zu beschäftigen.

Allerdings bindet das Gros der Logistikunternehmen Kunden, Lieferanten und Partner in ihre Maßnahmen ein, beispielsweise über gemeinsame Pilotprojekte, Workshops und Veranstaltungen. Doch nur jeder Fünfte stellt den Mehrwert digitaler Lösungen bei den genannten Stakeholdern proaktiv heraus. Zweidrittel der Unternehmen verfügen neben einer „Digitalisierungs-Community“ über ein Partnernetzwerk mit externen Dienstleistern, Hochschul- & Forschungseinrichtungen sowie Start-ups.

Kunden noch unsicher bei Digitalisierung

Dazu kommt, dass auch die Kunden in Bezug auf ihre strategische Ausrichtung noch oft unsicher sind. Kunden müssen sich zunächst selbst mit der digitalen Transformation und den damit verbundenen Herausforderungen auseinandersetzen. Für viele ist der Umbruch absolutes Neuland und von Unsicherheiten geprägt. Die digitale Transformation der Industrie konfrontiert die Volkswirtschaften mit einem radikalen Strukturwandel. Neue Daten, Vernetzung, Automatisierung und die digitale Kundenschnittstelle sprengen bestehende Wertschöpfungsketten.

Ganze Industriezweige wie der Maschinen- und Anlagenbau oder die Automobilindustrie müssen ihre Produkte und Fähigkeiten hinterfragen und ihre digitale Reife erhöhen, um neue Geschäftsfelder zu erkennen, neue Innovationen zu entwickeln und schnell umzusetzen. Gleichzeitig treten andere Player auf den Markt. Das treibt die Konsolidierung voran. All das hat auch unmittelbare Folgen für die Transportkette, wenn Produktionszahlen und damit die Auslastung der Logistikdienstleister zurückgehen. Andererseits florieren Internethandel, Paketzustellungen und der Güterverkehr.

Innovative Logistik- und Transportkonzepte sind daher mehr denn je gefragt, was wiederum Proaktivität und einen strategischen Fokus verlangt. Mittelfristig müssen sich Logistikdienstleister stärker abgrenzen und selbstbestimmter agieren. Die IUBH-Wissenschaftler schreiben dazu:

„Logistikdienstleister haben erkannt, dass sie sich dazu von einer über viele Jahre und Jahrzehnte manifestierten Fremdbestimmung und einer reinen Fokussierung auf die Umsetzung von Kundenvorgaben lösen müssen.“

Digitalisierung braucht Kulturwandel

Sowohl Innovationsfähigkeit als auch Agilität erfordern eine transparente und offene Kultur. Hinzu kommt die Bereitschaft, bestehende Strukturen und Abläufe zu hinterfragen und anzupassen. Das gilt beispielsweise für die Arbeitsweise und -prozesse: Abteilungs- und unternehmensübergreifende Projektgruppen gewinnen an Bedeutung. Kurz- und mittelfristig sehen fast 40 Prozent der befragten Experten den größten Handlungsbedarf bei der Belegschaft und der internen Kultur.

Führungskräfte und Mitarbeiter müssen sich neue Kulturtechniken aneignen und ihre beruflichen Kompetenzen erweitern. Ein wichtiger Bestandteil einer offenen Unternehmenskultur ist zudem der Umgang mit Fehlern. Nur wer die richtigen Schlüsse aus gescheiterten Projekten und Geschäftsmodellen zieht, entwickelt sich weiter. Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte müssen daher bereit sein, neue Dinge auszuprobieren und Fehler in Kauf zu nehmen.

Doch das Paradigma der Null-Fehler-Philosophie, das laut den Studienautoren in logistischen Wertschöpfungsprozessen vorherrscht, erschwert den Wandel. So wird die  Etablierung eines „reifegradorientierten Change-Managements“ empfohlen, das den digitalen Transformationsprozess unterstützt und „die nächsten Schritte zur Selbstbestimmtheit bewältigt“.

Quelle: https://blog.iubh.de/digitalisierung-steht-bei-kmu-ganz-oben-auf-der-agenda/

 

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